Steigende Flugzahlen: Sind wir schamlos?

Die Nachrichten zu den neuesten Flugzahlen im Sommer 2019 waren ernüchternd: Trotz der wachsenden Fridays-for-Future-Bewegung, trotz großer „Flugscham“-Diskussion, berichteten die Fluggesellschaften erleichtert von weiterhin steigenden Zahlen bei den Ticketverkäufen. Die Lufthansa erwartet nächstes Jahr ein Wachstumsplus von vier Prozent und auch Billigflieger easyJet rechnet weiterhin mit steigenden Zahlen. Weder Touristen noch Businessreisende scheinen um ihren persönlichen CO2-Ausstoß besorgt zu sein und buchen weiter fleißig Reisen auf Kurz- und Langstrecke.

Dabei sind die Zahlen und Fakten schon lange kein Geheimnis mehr: Ein mit Kerosin angetriebenes Passagierflugzeug pustet neben CO2 zahlreiche andere Stoffe wie Stickoxide und Aerosole in die oberen Schichten der Atmosphäre, die beträchtlich zur Erderwärmung beitragen. Die Masse der klimaschädlichen Gase und Partikel ist so hoch, dass jeder einzelne Passagier, der einen Sitz in einem Flugzeug belegt, massiv zur Belastung der Atmosphäre beiträgt. Ein Trip mit Rückflugticket von Deutschland auf die Malediven stößt pro Person etwa fünf Tonnen CO2 aus – so viel wie ein sieben-Liter-Auto nach 25.000 Kilometern. Das ist bereits mehr, als eine in Deutschland lebende Person insgesamt pro Jahr verbrauchen dürfte, um die Erderwärmung auf einem gesunden Level zu halten. Insgesamt werden dem internationalen Flugverkehr ein Anteil von fünf Prozent an der Gesamtmenge aller menschengemachten Beiträge zur Klimaerwärmung zugesprochen.

In den luftigen Höhen des Flugverkehrs sind Abgase wesentlich schädlicher für die Atmosphäre als in Bodennähe. Besonders Stickoxide verhindern die Wärmeabstrahlung von der Erde und tragen zur Klimaerwärmung bei / ©AdobeStock/aapsky

Warum kümmert es die Leute nicht?

Flugreisen sind in unserer Gesellschaft das normalste der Welt. Familien fliegen mehrfach im Jahr in den Urlaub, um den stressigen Alltag zu vergessen. Junge Individualisten und verliebte Paare hüpfen mit superbilligen Kurzstreckenmaschinen über tropische Inselreiche und haben dort die Zeit ihres Lebens. Geschäftsleute absolvieren ohne Achselzucken dutzende Flüge im Jahr in der geräumigen Business Class. Und Pensionäre, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet und gespart haben, pendeln ihren Lebensabend zwischen Thailand, Costa Brava und Bonner Heimat aus.

Anstatt eigene Gewohnheiten zurückzustellen, ist es für alle einfacher, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wer ein Ferienhäuschen im Sauerland hat und sich im Flieger eh mulmig fühlt, hat keine Schwierigkeiten den Hashtag #flyingless zu teilen. Wer nur manchmal im Urlaub nach Mallorca fliegt, fühlt sich immer noch klimafreundlicher als ein jetsettender Manager.

Soziologen reden bei solch einer Problematik gerne von mangelnder Selbstwirksamkeitserwartung. Einzelne Personen gehen nur begrenzt davon aus, dass ihre Handlungen auf globaler Ebene eine nennenswerte Auswirkung haben – besonders, wenn sie das Gefühl haben, dass niemand sonst etwas tut. Dabei gibt es keine Tätigkeit, die auf individueller Ebene solch eine riesige Auswirkung auf das globale Klima hat, wie das Fliegen. Positiv gesprochen, gibt es aber keine bessere Möglichkeit, seinen eigenen CO2-Fußabdruck, den seiner Familie oder seines Unternehmens zu verringern, als auf einen einzigen Flug zugunsten erdgebundener Verkehrsmittel zu verzichten. Deshalb bringt es enorm viel, wenn individuell und auf politischer Ebene an so vielen Schrauben wie möglich gedreht wird, um die Emissionen in der Atmosphäre zu verringern.

Das kannst du als Einzelner zum Klimaschutz beitragen:

Alternativen zum Fliegen nutzen

Flüge innerhalb Deutschlands und ins benachbarte Ausland solltest du eigentlich nur noch in unausweichlichen Fällen in Betracht ziehen. Bus und Bahn sind zwar zeitaufwändiger und gerade die Bahn ist leider nicht immer preiswert, aber mindestens im Inland muss erdgebundener Verkehr zur ersten Wahl für alle werden. Carsharing und Langstreckenbusse sind günstige und unkomplizierte Alternativen. Um bei Bahnpreisen zu sparen, kannst du schon ein paar Wochen oder Monate im Voraus Angebote checken – häufig sind es nur die zeitnahen Züge, die so teuer sind.

Nicht nur im Privaten ist es besser, sich jeden Trip gut zu überlegen, auch im Unternehmen kannst du Alternativen zu Geschäftsreisen, wie z.B. Videokonferenzen, ins Gespräch bringen.

CO2-Kompensierung

Kompensierung bedeutet, dass du für jede zurückgelegte Flugmeile deinen CO2 Ausstoß errechnest und einen zusätzlichen Betrag an ein Nachhaltigkeitsprojekt zahlst, bei dem die entsprechende Menge ausgeglichen wird. Du könntest zum Beispiel ein Wiederaufforstungsprojekt in dem Land unterstützen in das du reist. CO2-Kompensierung verhindert zwar keine Ausstöße, sinnvolle Projekte werden hierbei dennoch gefördert.

Einige wenige Fluglinien, wie die skandinavische SAS, kompensieren bereits automatisch CO2 auf ausgewählten Flügen. Diese Maßnahme verhindert zwar keine Ausstöße, fördert aber sinnvolle Klimaschutzprojekte und sollte ebenfalls zur Norm werden / ©Adobe Stock/naka

Bewusstsein wecken

Darüber hinaus ist es wichtig, die Diskussion weiterhin am Leben zu halten, um den gesellschaftlichen Wandel zu fördern und politische Maßnahmen durchzusetzen. Die Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich umweltfreundlichen Verhaltens steigt an, wenn die Menschen das Gefühl haben, Teil einer Bewegung zu sein. Bewusstsein wecken bedeutet nicht, dass Vielflieger mit Feindseligkeiten überhäuft werden sollen – das bestätigt lediglich alte Gewohnheiten und fördert Antipathien gegenüber klimafreundlichem Verhalten. Aber in Freundeskreis und Familie kannst du konstruktiv über die Problematik aufklären und Alternativen zur Sprache bringen.

Mögliche politische Maßnahmen gegen die Vielfliegerei

Verbote

Manche haben nach dem Aufblühen der Diskussion nach Verboten innerdeutscher Flüge gerufen. Allerdings fördern solche Maßnahmen kein ökologisches Bewusstsein, sind generell unbeliebt und wenig realistisch.

Besteuerung von Flugtreibstoffen und/oder CO2

Ein Hauptgrund, warum Flugzeuge so viel billiger als andere Verkehrsmittel sind, ist, dass auf Kerosin – anders als auf Benzin – keine Steuern gezahlt werden muss. Auch wird keine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge erhoben. Viele Aktivisten fordern, dass sich dies ändern muss, damit die Preise für Flugtickets unattraktiver werden.

Subventionen von Zügen und Infrastrukturausbau

Damit die Menschen gute Alternativen zum Fliegen haben, muss sich etwas beim Zugverkehr tun. Eine Steuersenkung für Zugtickets, wie sie derzeit im Raum steht, wird nicht ausreichen. Der BUND hat jetzt ein Thesenpapier herausgebracht, mit Vorschlägen, wie der inländische Flugverkehr auf die Schiene gebracht werden kann.

Entwicklung neuer Technologien

Es wäre wunderbar, wenn Flugzeuge mit sauberer Energie fliegen könnten, aber leider sind Alternativen zur Kerosinverbrennung über den Wolken nach wie vor Zukunftsmusik. Es gibt zwar einige gute Ideen für neue Antriebe, aber die technischen Herausforderungen sind hoch und neuartige Flugmaschinen werden in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht zum massenhaften Einsatz kommen. Die Luftfahrtindustrie brüstet sich mit großen Investitionen in klimaneutrale Technologien, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es kurzfristig zu großen Veränderungen im Flugverhalten kommen muss. Trotzdem muss mehr in die technische Entwicklung energieärmerer Maschinen gesteckt werden. Das düsenjetbetriebene Flugzeug ist eine der größten Erfindungen der Menschheit, aber kommende Generationen möchten auch reisen und sollten dies möglichst ohne fossile Brennstoffe tun.

Die Flugbranche hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Treibstoffeffizienz jährlich um 1,5 Prozent zu verbessern. Löblich, aber nur eine von vielen Schrauben, an denen gedreht werden muss / ©AdobeStock/aapsky

1 Kommentar
  1. peter
    peter sagte:

    Angesichts der tatsache, dass die airmobility mit deratig imensen beslastungen auf die umwelt, ihre milliarden gewinne, immer noch auf basis steuerbefreiter treibstoffe realisieren können. Mit welcher begründung wird dies weiterhin hingenommen.

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