Gift im Kleiderschrank

Eine Vielzahl giftiger Farbstoffe gepaart mit Lösemitteln, Farbbeschleunigern und Schwermetallen machen unsere Kleidung meist erst so schön bunt − mit kaum fassbaren Folgen für Gesundheit und Umwelt.

Fast Fashion − bunt, billig und riskant

Bedingt durch die Globalisierung wird hierzulande, wie auch in vielen anderen Ländern, kaum mehr Bekleidung hergestellt, sondern überwiegend aus Asien importiert. Der Markt ist geprägt von Fast Fashion − bunt, billig und in Massen produziert.

Doch was uns so chic und farbenfroh kleidet, ist nicht selten schädlich für unsere Gesundheit. Die Textilbranche gilt als die Industrie mit dem größten Chemieeinsatz. Gemäß der Europäischen Textilkennzeichnungsverordnung müssen bei Textilien nur die Textilfasern deklariert werden, nicht jedoch die verwendeten Hilfsstoffe. Ein undurchschaubarer Cocktail verschiedener Substanzen sorgt für langanhaltende Farbechtheit, weiche Pullover, knitterfreie Hemden oder strahlend weiße Wäsche. Von diesen sogenannten textilen Ausrüststoffen sind knapp 7.000 im Textilhilfsmittelkatalog gelistet. Zusätzlich enthält der Farbmittelkatalog mehr als 4.000 Substanzen für eine bunte Modewelt. Sie selbst oder deren Rückstände verbleiben viel zu oft in der Kleidung und gelten keineswegs als harmlos. Schätzungen zufolge machen Farb- und Druckhilfsmittel zwischen 0,1 und 2 Prozent des Gesamtgewichts der einzelnen Bekleidungsstücke aus. Der Anteil der Farbstoffe liegt zwischen 2 und 6 Prozent. Was und wie viel davon über unsere Haut in den Organismus gelangt ist kaum bekannt.

So „anziehend“ kann Gift sein

Bis ein Kleidungsstück mit seiner modischen Trendfarbe im Laden hängt, hat es heute zahlreiche Färbeprozesse mit diversen kommerziellen Farbmischungen hinter sich. Während bei pflanzlichen oder tierischen Fasern die Möglichkeit besteht, mit weitgehend unbedenklichen Direkt- oder Reaktivfarbstoffen zu färben, bekommen chemisch-synthetische Fasern ausschließlich mit Dispersionsfarbstoffen ihr Farbkleid. Sie bestechen zwar mit waschechter Farbintensität, gelten aber auch als häufigster Auslöser von Kontaktallergien. Das satte Farbergebnis benötigt zudem kritische Farb- und Fixierbeschleuniger, die, wie auch die Dispersionsfarben, leicht von der Haut resorbiert werden können und gesundheitliche Beschwerden verursachen.

Auf geschätzte 30 Prozent des Gesamtgewichts kommt der Anteil von Farbstoffen, Bleichmitteln und Farbbeschleunigern in einem Kleidungsstück. Problematisch sind dabei vor allem die in fernöstlichen Ländern immer noch verwendeten Azofarbstoffe, die in Deutschland schon lange verboten sind. Sowohl in Verbindung mit Hautbakterien, wie auch in Leber und Darm können sich diese Azoverbindungen wieder auflösen und ihre ursprüngliche Basis, die sogenannten aromatischen Amine bilden. Sie gelten nachweislich als krebserregend. In der EU reglementiert die Chemikalienverordnung REACH den Einsatz problematischer Azofarbstoffe. In vielen Ländern außerhalb der EU ist der Gebrauch jedoch noch erlaubt und nicht selten landet das Gift in unserem Kleiderschrank.

Nicht zu unterschätzen sind Lösemittel, die als Färbebeschleuniger (Carrier) von Kunstfasern und Kunstfasermischungen verwendet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung verweist hier insbesondere auf den Gefahrenstoff Trichlorbenzol, der Haut und Schleimhäute reizen sowie Leber und Nieren schädigen kann. Zwar wird die Chemikalie wieder ausgespült, Rückstände davon finden sich aber immer wieder in Textilien. Nicht zuletzt vergiften die Abwässer wertvolle Wasserressourcen inklusive der darin lebenden Organismen.

Damit die Farbe möglichst lange auf den schwer zu färbenden Kunstfasern hält, landen in den Farbmischungen häufig schwermetallhaltige Fixierungen mit Cadmium oder Quecksilber, deren Rückstände beim Schwitzen oder viel Bewegung schnell über die Haut ins Blut gelangen können. Einmal im Körper angelangt sind sie potentieller Auslöser für eine Vielzahl körperlicher Beschwerden.

Die Giftcocktails zum Färben farbenfroher Bekleidung entfalten ihre toxische Wirksamkeit aber bereits in und um die Produktionsstätten. Während sie einerseits durch umfangreiche Spülvorgänge umliegende Böden und Gewässer belasten, stellen sie auch ein nicht unerhebliches Gesundheitsrisiko für die Textilarbeiter, angrenzende Bewohner und die dort lebenden Tiere dar.

Schadstofffreie Kleidung erkennen

Für internationale Mode gelten EU-Richtlinien nicht, was eine Kontrolle von Problemstoffen so gut wie unmöglich macht. In den zentralen Billiglohnländern zeigen sich zudem große Qualitätsunterschiede im Färbevorgang. Gerade massentaugliche Ware, die kostengünstig hergestellt werden soll, wird häufig in Produktionsstätten gefertigt, deren Arbeitsweise weder auf Gesundheits- noch Umweltschutz geprüft ist. Eine unsachgemäße Textilveredelung wie Überfärbung oder lapidar ausgewaschene Hilfsmittel sind die Konsequenz. Folgende Faustregeln helfen, schädliche Chemikalien in Bekleidungstextilien beim Kauf weitgehend zu umgehen:

1. Erst Riechen
Ein Geruchstest verschafft erste Sicherheit. Riecht ein Kleidungsstück stark nach „Chemie“, enthält es wahrscheinlich nicht unerhebliche Mengen von Textilhilfsstoffen die bereits ausdünsten.

2. Auf den „Waschzettel“ achten
Kleidungsstücke mit Hinweisen wie „separat waschen“ oder „vor dem ersten Tragen waschen“ auf den sogenannten „Waschzetteln“ enthalten nicht selten leicht lösliche Farbpartikel, die zu Allergien führen können.

3. Siegel helfen
Verschiedene Siegel verweisen auf schadstofffreie Textilien. Am Global Organic Textile Standard (GOTS) oder dem Label „Textiles Vertrauen“ nach Öko-Tex-Standard 100 sind Produkte erkennbar, die streng geprüft wurden und gesundheitlich wie auch ökologisch als unbedenklich gelten.

4. Augen auf beim Kleidungskauf
Naturfarbene oder weiße Bekleidung wird als relativ unbelastet eingeschätzt. Ein Blick auf ökologisch und gesundheitlich unbedenkliche Produkte ist derzeit jedoch die sicherste Art sich körper- und modebewusst zu kleiden.

5. Erst waschen, dann tragen
Grundsätzlich sollte jedes neu erworbene Kleidungsstück vor dem ersten Tragen gewaschen werden, insbesondere jedoch die Teile, die direkt auf der Haut getragen werden. Eventuelle Schadstoffbelastungen werden damit verringert. Baby-Kleidung sollte vor dem ersten Tragen bis zu 3-mal in die Wäsche.

Fazit

Nur das allgemeine Umdenken einer Wegwerfgesellschaft scheint das Gift im Kleiderschrank eindämmen zu können. Nachhaltige Herstellungsprozesse sowie ökologisch und gesundheitlich unbedenkliche Produkte werden weltweit erst dann zum Standard, wenn sich Industrie wie auch Konsumenten von Fast Fashion im derzeitigen Sinne verabschieden.

Völlig neue Wege gehen zwei Studentinnen, deren Versuche mit Bakterien Stoffe zu färben eine chemikalienfreie und ressourcenschonende Alternative zum derzeitigen Färbevorgang sein könnte. Noch befindet sich das Projekt in der Entwicklungsphase, doch erste Ergebnisse lassen auf zukunftsweisende Möglichkeiten für die Textilindustrie hoffen.

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